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Nationalsozialistische »Rassenhygiene« im Raum Trier. Zwangssterilisationen und Patientenmorde im ehemaligen Regierungsbezirk Trier 1933-1945

Laufzeit: 01.01.2014 - 28.02.2018

Förderung durch: Förderverein zur historischen Erforschung von Zwangssterilisationen in der Region Trier während der NS-Zeit e.V.; Barmherzige Brüder Trier e.V.; Evangelische Kirchengemeinde Trier

Kurzfassung


Das nationalsozialistische Regime hat sich von Anfang an die Umsetzung einer systematischen Bevölkerungspolitik nach rassenhygienischen und rassenanthropologischen Prinzipien zu einem seiner wichtigsten Ziele gesetzt. Das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" vom 14. Juli 1933 eröffnete die Möglichkeit, systematisch Zwangssterilisationen an Menschen durchzuführen, bei denen erblich bedingte Krankheitsbilder festgestellt oder sogar nur begründet vermutet wurden. Das Gesetz führte zur...Das nationalsozialistische Regime hat sich von Anfang an die Umsetzung einer systematischen Bevölkerungspolitik nach rassenhygienischen und rassenanthropologischen Prinzipien zu einem seiner wichtigsten Ziele gesetzt. Das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" vom 14. Juli 1933 eröffnete die Möglichkeit, systematisch Zwangssterilisationen an Menschen durchzuführen, bei denen erblich bedingte Krankheitsbilder festgestellt oder sogar nur begründet vermutet wurden. Das Gesetz führte zur Einrichtung entsprechender Gerichte und richtete ein förmliches Antragsverfahren ein, an dem die verschiedensten Personengruppen in abgestufter Weise beteiligt waren, die als Betroffene, Angehörige, Vormünder bzw. Mediziner mit den im Gesetz aufgelisteten Krankheiten bzw. Krankheitssymptomen in Berührung kamen. Eine wesentliche Rolle in diesem Verfahren kam dabei neben den Erbgesundheitsgerichten den neu eingerichteten Gesundheitsämtern zu.

Im Ergebnis schuf das Gesetz die legalen Grundlagen für eine umfassende, die Spielräume des Gesetzes massiv ausnutzende, vielfach überschreitende Praxis der Zwangssterilisation. Die Gesamtzahl der Opfer dieser Praxis wird auf 350.000 bis 400.000 Menschen geschätzt. Diese negative rassenhygienische Maßnahme war in den Augen der nationalsozialistischen Gesundheitspolitiker ein wesentliches Element in der umfassenden Rassenpolitik des Regimes.

Ohne jede Rechtsgrundlage hingegen und als erste systematische Maßnahme des rassenpolitischen Mordprogramms erfolgte zwischen 1939 und 1945 die Ermordung von Anstaltspatienten, denen aufgrund ihrer Krankheit bzw. Behinderung das Lebensrecht abgesprochen wurde. Die Ermordung dieser Menschen, bei denen es sich vor allem um Patienten in Kranken- bzw. Heil- und Pflegeanstalten handelte, wurde zentral von der geheimen Dienststelle "T 4" im Hauptamt II der Kanzlei des Führers geplant und durchgeführt. Die im August 1941 offiziell abgebrochene, als "Euthanasie" etikettierte Mordaktion wurde bis zum Kriegsende dezentral in Anstalten weitergeführt, so dass die Gesamtzahl der Opfer nur zu schätzen ist. Im Rahmen der Eroberungs- und Besatzungspolitik des Regimes während des Zweiten Weltkriegs kam es zudem zu einer Ausweitung der Mordaktionen auf die besetzten Gebiete.

Leitendes Konzept und plausible Begründung für viele beteiligte Mediziner, Juristen, Pflegerinnen und Pfleger sowie die Beschäftigten der Gesundheitseinrichtungen und staatlichen bzw. parteiamtlichen Verwaltungen aber auch Angehörige und Beobachter dieser nationalsozialistischen Verbrechen war die "Rassenhygiene" als umfassendes medizinisches und bevölkerungspolitisches Konzept. Die Veränderung des als Genpool gedachten "Volkskörpers" der deutschen Reichsbevölkerung durch Maßnahmen der negativen Eugenik und der Rassentrennung (dazu dienten die Nürnberger Gesetze von 1935) war zentraler Bestandteil der nationalsozialistischen Weltanschauung und wurde zu einem der wichtigsten Elemente der ideologischen Beeinflussung der Bevölkerung über systematische Schulung (in den Gesundheitsberufen, für Parteimitglieder, im Schulunterricht), entsprechende Propaganda in Presse, Rundfunk und Film. Die Reaktionen der deutschen Bevölkerung waren keineswegs von Ablehnung gekennzeichnet, da bis in die christlichen Kirchen hinein Eugenik vor 1933 diskutiert und teilweise befürwortet worden war. Trotz dieser Propaganda wagte das Regime jedoch 1939 nicht, den Schritt zur Ermordung von Patienten öffentlich zu vollziehen. Vorbehalte bzw. grundsätzliche Ablehnung der Maßnahmen seitens der katholischen Kirche begleiteten jedoch bereits ab 1934 die Umsetzung der Zwangssterilisationen.

Die moralischen Ambivalenzen der Zeitgenossen im Umgang mit diesen Maßnahmen der Rassenhygiene werden aber auch daran sichtbar, dass auch nach 1945 das Gesetz von 1933 keineswegs als "nationalsozialistisch" eingestuft wurde und Opfern der Zwangssterilisation eine Wiedergutmachung verweigert wurde.

Während die Grundzüge dieses hier knapp skizzierten Geschehens auf Reichsebene bekannt sind, gehört die regionalgeschichtliche Aufarbeitung dieses zentralen Kapitels nationalsozialistischer Verbrechen zu den aktuellen Aufgaben der Zeitgeschichtsforschung. Vielfach sind erst im Lauf des letzten Jahrzehnts Aktenbestände gesichtet und zugänglich gemacht worden, welche es erlauben eine umfassende Geschichte dieses Geschehens zu schreiben.

Eine solche regionalgeschichtliche Studie soll nun für den Trierer Raum erstellt werden. Das Forschungsprojekt soll sich mit den zentralen Maßnahmen der nationalsozialistischen Rassenhygiene beschäftigen. Als Untersuchungsraum ist dabei der damalige Regierungsbezirk Trier gewählt worden, der zugleich auch Gerichtsprengel des Erbgesundheitsgerichts Triers war. Die Einbeziehung der Patientenmorde der sogenannten "T 4-Aktion" wird sich auch in diesem regionalen Rahmen bewegen, aber die konkreten lokalen Verbindungen betroffener bzw. beteiligter Einrichtungen des Untersuchungsraums berücksichtigen.

Erstes Untersuchungsziel ist die umfassende Aufarbeitung der Sterilisationspraxis im damaligen Regierungsbezirk Trier von der Antragstellung bis zum medizinischen Eingriff. Personengeschichtlich wird gefragt nach Antragstellern, Betroffenen, beteiligten Juristen und Medizinern; organisationsgeschichtlich geht es um die Abläufe in den beteiligten Krankenhäusern, in denen Sterilisationen durchgeführt wurden (Kreiskrankenhäuser in Saarburg und Wittlich, städtisches Krankenhaus in Baumholder, Ev. Elisabeth-Krankenhaus in Trier), schließlich ist nach Reaktionen (Widerstand, Unterstützung) in der Bevölkerung und seitens der direkt oder indirekt Betroffenen zu fragen und exemplarisch das Gesamtgeschehen in seinen Folgen für die Betroffenen zu untersuchen.

Zweites Untersuchungsziel ist die umfassende Aufarbeitung der Patientenmorde im Untersuchungsraum im Rahmen der "T 4-Aktion". Auch in diesem Fall geht es zum einen darum, den Personenkreis der Opfer und der regional Beteiligten zu erforschen, die regionalen Abläufe des Mordprogramms zu klären und schließlich nach Formen der aktiven Zuarbeit bzw. der Verweigerung und des Schutzes für bedrohte Patienten zu fragen.
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Veröffentlichungen


Projektteam



Lutz Raphael

Beteiligte Einrichtungen