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Ringvorlesung "In (Ge)Schlechter Gesellschaft? Politische Konstruktionen von Männlichkeit in der Romania"

Laufzeit: 25.10.2012 - 07.02.2013

Kurzfassung


Der amerikanische Western Bad Company (In schlechter Gesellschaft, Robert Benton, 1972) stellt nicht nur den weinerlichen Mann dar, der in der ersten Szene des Films buchstäblich aus seinem Versteck an die Öffentlichkeit gezerrt wird, sondern exponiert damit zugleich auch die Verschmelzung von Geschlecht und Politik. Denn die politische Struktur ist es, die hier zahllose junge Männer effeminiert: Erfolglos verstecken sie sich in Frauenkleidern und werden schließlich doch für den Bürgerkrieg...Der amerikanische Western Bad Company (In schlechter Gesellschaft, Robert Benton, 1972) stellt nicht nur den weinerlichen Mann dar, der in der ersten Szene des Films buchstäblich aus seinem Versteck an die Öffentlichkeit gezerrt wird, sondern exponiert damit zugleich auch die Verschmelzung von Geschlecht und Politik. Denn die politische Struktur ist es, die hier zahllose junge Männer effeminiert: Erfolglos verstecken sie sich in Frauenkleidern und werden schließlich doch für den Bürgerkrieg zwangsweise in die Männlichkeitsmaschine Militär gesteckt. Einige Wenige fliehen daraufhin in den wilden Außenraum jenseits der Grenze, nur um dort von älteren männlichen Banditen immer wieder symbolisch kastriert oder schlichtweg umgebracht zu werden. Zuletzt schließt die homosoziale Initiationsreise dieser adoleszenten, ‚schlechten Gesellschaft‘ mit der Produktion eines endgültig devianten Subjekts: Die beiden moralischen Antipoden und Helden, verkörpert von Jeff Bridges und Barry Brown, wechseln selbst – vergrößert durch die Potenz ihrer Waffen – auf die Seite der outlaws und schwingen sich zu Beherrschern eines politisch prekären Raumes auf: des ‚wilden Westen‘.
Das Forschungsfeld der Masculinity Studies ist an diesen und ähnlichen Fragestellungen entlang innerhalb der Nordamerikanistik in den letzten Jahren sehr stark in das Blickfeld gerückt und hob vor allem auch auf Populärmedien wie Film, TV und Musik ab. Die Debatten über Geschlechtlichkeit haben sich dabei deutlich verschoben: An die Stelle eines eindimensionalen Fokus auf Fragen weiblicher Emanzipation tritt die Diskussion über ein Verhältnis der Geschlechter, das sich durch neue Konzepte sowohl von Weiblichkeit als auch von Männlichkeit und einen neuen Fokus auf das Politische des Geschlechts herausbildet. Denn der komplexe Zusammenhang, der im sozialen Imaginären einer dominant ‚homosozialen Gesellschaft’ (Sedgwick) zwischen staatstheoretischen Metaphern und Genderkategorien hergestellt wird, reicht vom republikanischen Gründungsphantasma der jungfräulichen Nation bis zur Homosexualisierung neuzeitlicher Bündnispolitik. Daher steht seit einiger Zeit die Frage nach politischen Figurationen im Ästhetischen fächerübergreifend im Zentrum der literatur- und kulturwissenschaftlichen theoretischen Forschung. Aus dieser Perspektive wird ein Blick zurück auf die Geschichte kultureller und künstlerischer Entwürfe bzw. Konstruktionen von Männlichkeit möglich. Gerade dieser zeigt mitunter, dass Imaginationen von Geschlecht ein politisches Gewicht haben können: Ethnische, soziale, postkoloniale und Klassen-Konflikte werden darin mit Gender-Identitäten gekreuzt. Ergebnis ist ein Imaginarium des political gender, das es zu untersuchen gilt. Deshalb sollte man die maßgeblich in der Nordamerikanistik historisch und systematisch entwickelten Konzepte auch mit anderen Fächern, im Besonderen mit der Lateinamerikanistik und Romanistik in Dialog treten lassen. Die Kreuzung von Politik und Gender, Raum der Nation und Geschlecht ist schließlich oft das Ergebnis von konfliktreichen politischen Konstellationen wie der Entkolonialisierung, sowohl in den Americas als auch in Afrika und Ostasien.
Prototypisch für den amerikanischen Kontinent ist das frühe lateinamerikanische Identitätskonzept des Mexikaners Octavio Paz, der in El laberinto de la soledad (1950) die doppelte politische ‚Vergewaltigung‘ Mexikos durch spanische Conquistadores und nordamerikanische Imperialisten in die oft rezipierte und zitierte Figur des Chingado verwandelt hat. Dieser ist nicht nur Nachfahre der berühmten ‚Überläuferin‘ Malinche, der Geliebten von Hernán Cortés, sondern kann sich auch in die kompensatorische Variante des neuerdings gewalttätigen Macho verwandeln. Kastrierte und potente Männlichkeit stehen ihrerseits in Lateinamerika traditionellerweise im Genre des Diktatorenromans zur Debatte, und dies bereits seit der Geburt der jungen lateinamerikanischen Nationen im 19. Jahrhundert.
Schon Paz ging es um eine mehrdeutige, ja prekäre Auffassung von Männlichkeit, die sozialen und politischen Konflikten geschuldet zu sein schien. Zeitgenössische französische Arbeiten stellen sich mit Blick auf unsere Gegenwart die Frage, ob Männlichkeit schlechthin in die Krise gekommen sei (Corbin/Courtine/Vigarello, „La virilité en crise?“, 2011). Dabei fällt auf, dass auch in Frankreich Vorstellungen von Männlichkeit stark an Prozesse der Kolonialisierung und Entkolonialisierung gekoppelt sind. So boten die Kolonien einerseits einen Raum tolerierter sexueller Devianz, andererseits standen sie für das patriarchalische Penetrationsphantasma des Imperialismus („Pornotropics“, McClintock). Männlichkeiten und schwule Männlichkeiten wurden dann in der V. Republik seit 1958, schließlich verstärkt in den 1960er Jahren, neu verhandelt. Mit dem Wegfall der Kolonien als imaginärem Devianz- und Machtraum war ein Vakuum entstanden, das durch die Euphorie für den starken Mann an der Spitze des Staates, den de Gaulle verkörperte, nur teilweise gefüllt werden konnte.
Auch im frankistischen Spanien werden konventionelle Gendermodelle zunächst konsolidiert, bis in den 1980er Jahren und im Zuge der Móvida – das Kino Pedro Almodóvars ist das wohl bekannteste Beispiel – Alternativen überhaupt zum ersten Mal zugelassen werden. Die Ursprünge von Francos heroischem Kult der Männlichkeit liegen allerdings wie auch in Frankreich im späten 19. Jahrhundert. Sie sind geknüpft an die territoriale Kastration des iberischen Großreichs nach 1898. In Frankreich indessen stehen nach der politischen Travestie, die Napoleon III. als Abklatsch des starken imperialen Vaters erscheinen ließ, die Zeichen bereits wieder auf Expansion.
Die Ringvorlesung will unter diesen Prämissen verschiedene thematische Fäden zusammenspinnen: In einem ersten systematischen und historischen Teil widmet sie sich dem disziplinären Theorientransfer und der Genealogie des political gender in der Romania von der Frühen Neuzeit bis zur Moderne. Danach wird es vor allem um Dekolonisation und um das politische Imaginäre des Kinos gehen, weil dort die plastische Verbildlichung – teils klischeehafter – Männlichkeiten immer wieder produziert und reproduziert, konsumiert und demontiert wird.
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  • Masculinities Gender Studies Queer Studies Political Gender

Projektteam



Timo  Obergöker

Beteiligte Einrichtungen