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Menschenrechtsbildung in der Schule. Aktualität - Praxis - Kontroversen

Laufzeit: 01.06.2016 - 03.06.2016

Kurzfassung


Pädagogisches Arbeiten im Angesicht von Auschwitz wird also Grenzen überschreiten. Das liegt in der Natur der Thematik, die, wenn sie den Kontext von Schule berührt, vor den klassischen Fächergrenzen nicht halt machen kann. Thesenartig soll angedeutet werden, welche Akzente im Bildungshandeln zu setzen sind.
Eine (Religions-) Pädagogik ‚im Angesicht von Auschwitz’...
... nähert sich vorsichtig und in Respekt vor den Opfern den Stätten des nationalsozialistischen Terrors, die zunächst Orte des...
Pädagogisches Arbeiten im Angesicht von Auschwitz wird also Grenzen überschreiten. Das liegt in der Natur der Thematik, die, wenn sie den Kontext von Schule berührt, vor den klassischen Fächergrenzen nicht halt machen kann. Thesenartig soll angedeutet werden, welche Akzente im Bildungshandeln zu setzen sind.
Eine (Religions-) Pädagogik ‚im Angesicht von Auschwitz’...
... nähert sich vorsichtig und in Respekt vor den Opfern den Stätten des nationalsozialistischen Terrors, die zunächst Orte des fremdem Leidens sind: jüdischer Menschen, von Sinti und Roma und anderer „Minderwertiger“. Sie begegnet den Opfern und sucht sie in ihrer jeweiligen Individualität und unverwechselbaren Geschichte zu finden – und setzt das eigene Gedenken dem letztlich kaum vorstellbaren Schmerz aus;
... lässt es zu, dass daran die Routinen des Alltags ihre Festigkeit verlieren und die Verletzlichkeit und Zerstörbarkeit des Lebens (der Opfer der Geschichte) in ihrer ganzen Tiefe wahrgenommen wird;
... lässt es weiter zu, dass die barbarische Seite des Menschen erahnt wird und die Frage nach den Bedingungen, die zu dieser absoluten Negation des Anderen führen, aufbricht;
... setzt aber auch auf die – stets von Verzweiflung bedrohte – Widerständigkeit des Menschen, der unableit- und unbegründbar weiß, dass der Mensch nicht des Menschen Feind sein, dass Auschwitz nicht das letzte Wort sein muss, dass der Funken Hoffnung, der hier aufscheint, gefasst sein will – mit den Worten Adornos: „Hitler hat den Menschen im Stande ihrer Unfreiheit einen neuen kategorischen Imperativ aufgezwungen: daß Auschwitz sich nicht wiederhole, nichts Ähnliches geschehe.“
... zieht als entscheidende Konsequenz das Eintreten für das radikale Subjekt-Sein der ihr Anvertrauten (auch im Bildungshandeln), das nie für einen höheren Zweck geopfert werden darf;
... sieht Gedenkstätten als Mahnmale der totalen Entsubjektivierung, an denen aber genau deswegen die Sehnsucht nach dem Gegenbild von einem „guten Leben“ entstehen kann – und Überlegungen entwickelt werden, wie das genauer zu füllen ist. Dabei richtet sie sich nach jenen Leitlinien, die das selbstbewusste und selbstbestimmte Lernen von Menschen anstoßen: einem fächerverbindenden Lernarrangement, weil nur dies dem Anspruch des Themas gemäß ist und die Chance zur Orientierung in sich trägt, und den didaktischen Kategorien von ästhetischer Bildung, Erkundungen, Handlungsorientierung.
Bei all dem braucht es vor allem eines: Zeit.
... tritt Versuchen, die Würde von Kindern und Jugendlichen durch einen „Missbrauch der Disziplin“ zu verletzen, entschieden entgegen. Sie weiß um die Zusammengehörigkeit von Rassismus, antidemokratischem Denken und Autoritätshörigkeit. (Vermeintliche) richtige Wege erweisen sich – im besten Fall – als Sackgassen, wenn die Unterwerfung unter „die Kunst des Führens“ der Preis dafür ist;
... setzt stattdessen auf partnerschaftliche Beziehungsgestaltungen zwischen Schülern und Lehrern, Kollegen und Schulleitungen, Mitarbeitern und Vorgesetzten. Dabei ist sie von der Haltung des Überzeugens statt des Überredens, des Verhandelns statt des Anordnens bestimmt. So realisiert sie jenen demokratischen Leitungsstil, den der aus Berlin in die USA emigrierte Sozialpsychologe Kurt Lewin 1939 beschrieben hat – auf dem Hintergrund seiner deutschen Erfahrungen;
... entwickelt aus der Erinnerungsarbeit Handlungskonsequenzen für das Bemühen um eine humane Lebensgestaltung im persönlichen und politischen Umfeld. Dabei nimmt sie die konkreten, das menschliche Leben vorstrukturierenden Bedingungen kritisch in den Blick, weil es letztlich „kein richtiges Leben im falschen“ geben kann. Auf diesem Hintergrund ist die Auseinandersetzung mit den jeweiligen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Leitbildern wichtiger Teil des pädagogischen Interesses: eine Religions-Pädagogik ‚nach Auschwitz’ kann und darf die Bedingungen nicht ausblenden, unter denen Menschen heute leben müssen – um sich und andere vor Vernutzung und Verzwecklichung zu bewahren;
... reagiert schließlich sensibel auf alle Arten von Ausgrenzung und setzt sich aktiv ein für gleichberechtigte Bildungsteilhabe; schulpolitischen Ausgrenzungsbestrebungen tritt sie entgegen.

Das kann theologisch noch weitergeführt und ausgedeutet werden:
Religions-Pädagogik ‚nach Auschwitz’....
... realisiert, dass die unsäglichen Qualen, die Menschen von Menschen angetan wurden, fortan zum unauslöschlichen Gedächtnis der Menschheit gehören. Daraus entwickelt sich eine Perspektivenverschiebung, die die ‚anthropologische Wendung’ von Theologie und Religionspädagogik weiterführen muss: Keine memoria passionis jesu christi mehr ohne die memoria passionis hominis;
... weiß in besonderer Weise um ihr eigenes Verwiesensein auf ein geschichtliches Ereignis (die Offenbarung Gottes in Jesus Christus) und reflektiert von dort her ihre Formen des Gedenkens und Erinnerns, auch in dem Bemühen, die Authentizität des Offenbarungszeugnisses zu bewahren im Sinne einer sozialen Anthropo-Theologie: Ja, „das ist ein Mensch“ (Primo Levi), – und „die Liebe zu ihm ist das Maß der Gottesliebe“ (Edith Stein);
... fragt nach dem „Anderen des Anderen“: dem Täter/ der Täterin: Mensch auch er, auch sie, auch ‚Gottes Ebenbild’ (Gen 1, 26f), doch genauso Spiegelbild der in der Urgeschichte der Genesis ebenso tief verankerten Überzeugung von den egoistischen, aggressiven, maßlosen, selbst- und fremdzerstörerischen Seiten des Menschen. Eine Religions-Pädagogik muss das didaktisch einholen, indem sie bei der „Sünde“ als der „ersten Adresse der theologischen Anthropologie“ ansetzt (Otto Hermann Pesch), und tastet von dort aus (auch) nach (religiösen) Antworten. Was ist der Mensch – im Angesicht von Auschwitz?
So ist dann ‚im Angesicht von Auschwitz’, dem „Anus Mundi“, den man also solchen akzeptieren muss, als eine „neue Bibel“, nicht Theodizee, sondern Anthropodizee gefordert, „um gegen eine künftige Flut der Gewalt immun zu sein, die aus Intoleranz, Machtgier, wirtschaftlichen Gründen, aus politischem und religiösem Fanatismus oder aus rassischen Reibungen entsteht. Daher müssen wir unsere Sinne schärfen, den Propheten, den Zauberern und all denen mißtrauen, die ‚schöne Worte’ sprechen und schreiben, die durch keine guten Gründe gestützt sind.“
Genug Herausforderungen für Bildungsprozesse.
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