Kurzfassung

Nach einer in der Literatur zur sozialen Gerechtigkeit verbreiteten Annahme führt fraternale (kollektive) Benachteiligung zu Protest, hat jedoch keinen Einfluss auf das Wohlbefinden des Einzelnen, während egoistische (individuelle) Benachteiligung das Wohlbefinden benachteiligter Personen beeinträchtigt, jedoch keinen Protest hervorruft. Das Projektteam hält diese Auffassung für unvollständig, geht davon aus, dass fraternale Benachteiligung unter bestimmten Umständen das Wohlbefinden...Nach einer in der Literatur zur sozialen Gerechtigkeit verbreiteten Annahme führt fraternale (kollektive) Benachteiligung zu Protest, hat jedoch keinen Einfluss auf das Wohlbefinden des Einzelnen, während egoistische (individuelle) Benachteiligung das Wohlbefinden benachteiligter Personen beeinträchtigt, jedoch keinen Protest hervorruft. Das Projektteam hält diese Auffassung für unvollständig, geht davon aus, dass fraternale Benachteiligung unter bestimmten Umständen das Wohlbefinden beeinträchtigen kann, und dass negative Emotionen sowie eine negative soziale Identität als vermittelnde Mechanismen für diesen Effekt fungieren. Im Rahmen einer Längsschnittstudie zu den psychologischen Folgen der deutschen Wiedervereinigung wurden zu drei Messzeitpunkten (1996, 1998, 2000) fraternale Benachteiligung, Lebenszufriedenheit und seelische Gesundheit an einer demografisch heterogenen Stichprobe von 1276 ostdeutschen Bürger:innen gemessen. Modelltests und Parameterschätzungen des theoretischen Pfadmodells wurden mit LISREL durchgeführt. In Übereinstimmung mit den theoretischen Vorhersagen des Projektteams wurden longitudinale Effekte fraternaler Benachteilugung auf die Lebenszufriedenheit und die seelische Gesundheit festgestellt. Dies bedeutet, dass kollektive Benachteiligung für das Wohlbefinden des Einzelnen nicht weniger problematisch ist als die Qualität der persönlichen Lebensbedingungen.» weiterlesen» einklappen